Inhaltsverzeichnis
Die Aspirin-Unverträglichkeit lässt sich nicht durch einen einzigen Mechanismus erklären. Meistens treffen mehrere der in der 3-teiligen Blogreihe genannten Ursachen bunt aufeinander.
Aufgrund dieser großen Variation an Möglichkeiten sind die Symptome, die Reaktionszeit und die Auslöser unter den Betroffenen auch sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, dass es noch sehr viel Forschung benötigt, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.
Damit es übersichtlich bleibt, wird der Inhalt auf 3 Beiträge aufgeteilt.
Teil 1: COX und LOX
Teil 3: Entgiftung und Genetik
Das COX-1-Enzym als Target (Ziel) in der Schmerz- und Antientzündungstherapie
Das Enzym Cyclooxigenase 1 (COX-1) bildet u.a. aus den Fettsäuren Arachidonsäure (AA – Omega 6) und Eicosapentaensäure (EPA – Omega 3) Substanzen aus der Gruppe der Prostaglandine. Während aus der tierischen Arachidonsäure u.a. die proentzündlichen Prostaglandine der Serie 2 entstehen, werden aus EPA die antientzündlichen Prostaglandine der Serie 3 gebildet.1,2
Die Prostaglandine der Serie 2 spielen die tragende Rolle bei Schmerzen und Entzündungen. Um diese zu stillen, wird in der Medizin u.a. mit NSAR (Nicht-steroidalen-Antirheumatika) therapiert. Dazu zählen z.B. Aspirin, Ibuprofen und Diclofenac. Diese hemmen das COX-1-Enzym, sodass keine Prostaglandine mehr gebildet werden können und die Entzündung sowie der Schmerz zurückgehen (siehe Abb. 1).1,2
Abbildung 1 NSAR hemmen das COX-1-Enzym, wodurch die Prostaglandinproduktion heruntergefahren wird.
Anders ist die Auswirkung von COX-1-Hemmern auf Personen mit einer Aspirin-/NSAR-Unverträglichkeit. Sie erfahren dadurch keinen Rückgang von Schmerz und Entzündung, sondern eine Verstärkung der Beschwerden.
Entzündungshemmende Substanzen wirken daher nicht für Jeden entzündungshemmend!
Was läuft da am COX-1-Enzym falsch?
Aber nicht nur das COX-1-Enzym verwendet AA und EPA als Substrate (Ausgangsmaterialien). Auch das LOX-Enzym (5-Lipoxygenase) benötigt diese. Die beiden Enzyme konkurrieren um die beiden Fettsäuren AA und EPA.
Bei Personen mit einer Aspirin-Intoleranz verschiebt sich bei einer Hemmung der COX-1-Enzyme das Muster der gebildeten Botenstoffe.
Werden die COX-1-Enzyme gehemmt, stehen den LOX-Enzymen viel größere Menge AA und EPA zur Verfügung. LOX bildet aus AA die pro-entzündlichen Leukotriene der Serie 4 und aus EPA die antientzündlichen Leukotriene der Serie 5. Die entzündungsfördernden Serie-4 Leukotriene sind dabei um ein Vielfaches potenter als die entzündungshemmenden der Serie-5.3
Prostaglandine, wie auch Leukotriene zählen zur Stoffgruppe der Eicosanoide.9
Einen wichtigen Einfluss auf das LOX-Enzym hat Prostaglandin E2 (PGE2), das über COX-1 produziert wird. Es hat (über ein paar Zwischenstufen) eine regulatorische Wirkung auf LOX und hemmt dessen Aktivität. Bei Personen mit AERD (Aspirin-induzierter Atemwegserkrankung) konnten erniedrigte Spiegel von PGE2 beobachtet werden. Wird nun durch die COX-1-Hemmung die Produktion von PGE2 noch weiter heruntergefahren, kann die Umsetzung am LOX-Enzym nicht mehr oder im Falle von AERD-Patienten noch weniger gehemmt werden. Dadurch steigt die Leukotrienbildung zu stark an.4,5
Das Ergebnis ist ein enormes Ungleichgewicht zwischen Leukotrienen und Prostaglandinen, was zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann (z.B. Asthma).6 (Abb. 2)
Abbildung 2 Bei Personen mit SI werden zu viele Leukotriene produziert.
Substanzen, die COX-1 hemmen
Da nicht nur Aspirin das COX-1-Enzym hemmt, sollten Patienten mit einer Aspirin-Allergie auch sehr vorsichtig bei anderen Substanzen sein, die über diese Eigenschaft verfügen. Oft bemerken Betroffene bei der Einnahme von entzündungshemmenden Substanzen, wie z.B. Curcumin oder Resveratrol7, dass diese die Beschwerden verschlimmern und stoßen dann über zahlreiche Recherchen auf die Salicylatintoleranz.
Da Leukotriene vom Körper zunächst noch gebildet werden müssen, treten die Unverträglichkeitsreaktionen nicht sofort auf, sondern erst zeitverzögert (z.B. nach 30 Minuten8). Das macht die Auslösersuche zur Detektivarbeit.
Bei der Nasenpolypenbildung ist der Prozess so langwierig, dass es hier so gut wie unmöglich ist Rückschlüsse auf Lebensmittel oder Medikamente zu ziehen.
Mit COX-1-Hemmern werden Medikamente mit einer auf dieses Enzym hemmenden Wirkung bezeichnet. Aber auch isolierte Pflanzenstoffe, die als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, und auch Inhaltsstoffe von Putzmitteln oder Pflegeprodukten verfügen über diese Wirkung.
Hierzu einige Beispiele:
- Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, …)9
- Sekundäre Pflanzenstoffe, wie Polyphenole, z.B. EGCG (Grüntee), Curcumin (Curry), Apigenin (Sellerie), Resveratrol (Traube), Genistein (Sojabohne), Kaempferol (Brokkoli)7
- bei einigen Betroffenen führen auch Salicylate in Lebensmitteln, Kosmetik, Putzmitteln und im Garten zu gesundheitlichen Beschwerden. Mehr zu Salicylaten in deinem Alltag findest du im Beitrag “Basics der Salicylatintoleranz”
Lisa von Immunoloco beschäftigt sich in einem interessanten Blogartikel mit dem Thema “Staphylococcus aureus-Enterotoxine & Prostaglandin-Rezeptoren” als eine der möglichen Ursachen hinter der Erkankung Samter-Trias und NSAR-Intoleranz. Klicke hier, um zum Artikel zu gelangen.
Lisa Dostmann ist Heilpraktikerin, Besitzerin eines verrückten Immunsystems und im Vorstand des Vereins VAEM e.V. tätig, der sich der Förderung der Allergie- und Endoskopieforschung verschrieben hat. Auf ihrem Blog www.immunoloco.com klärt sie über Allergien, Mastzell- und Autoimmunerkrankungen sowie deren Therapien auf und hilft Betroffenen ein möglichst gutes Leben zu führen.
Therapieoptionen über Ernährung und Medikation
Neben der NSAR- und Salicylatkarenz bei Medikamenten, in der Ernährung, der Körperpflege und im Haushalt, gibt es folgende medikamentöse und nicht-medikamentöse Möglichkeiten die Erkrankung unterstützend zu behandeln.
Wichtig beim Verzicht auf salicylathaltige und polyphenolhaltigeLebensmittel ist, dass hier nicht zu radikal reduziert wird, sondern nur soweit bis die Symptome zurückgehen. Da es meistens auf die Gesamtmenge der Salicylate ankommt, ist es von Vorteil den Haushalt und die Körperpflege komplett umzustellen, um dafür eine größere Auswahl bei der Ernährung zu ermöglichen.
Ergänzung mit der Omega 3 Fettsäure EPA
Da AA und EPA um das COX-1-Enzym konkurrieren, gibt es bei entzündlichen Erkrankungen meist die Empfehlung, durch die Einnahme von EPA in Form von Fisch- und Algenöl das Gleichgewicht zugunsten der antientzündlichen Prostaglandine und Leukotriene zu verlagern.
Diese sind jedoch bei SI (und Histaminintoleranz) nicht immer verträglich. Hinzu kommt, dass der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in Fischölkapseln fast immer nur etwa 30 % beträgt. Der Rest ist eine bunte Mischung vieler weiterer Fettsäuren.10
Zu beachten ist auch der Aspekt der Verunreinigung durch Schwermetalle. So sollten für Fischölkapseln nur Hersteller in Betracht gezogen werden, die hochwertige, aufgereinigte Öle anbieten und dessen Laboranalysen einsehbar sind.11
Für manche Betroffene hat es sich vorteilig gezeigt tierische Produkte mit weniger Arachidonsäuregehalt zu konsumieren. Eine vollständig vegane Ernährung ist bei einer ausgeprägten Aspirin-/Salicylatintoleranz allerdings kaum umsetzbar, da sehr viele pflanzliche Lebensmittel stark salicylat- und polyphenolhaltig sind.
Ergänzung mit der Omega 3 Fettsäure alpha-Linolensäure
Geht man vom COX-1-Enzym noch einen Schritt zurück und schaut sich die Bildung von AA und EPA im Körper an, dann entdeckt man das Enzym D6D (Delta-6-Desaturase). Dieses Enzym wandelt in begrenzter Menge u. a. die pflanzliche und essenzielle Omega-6-Fettsäure “Linolsäure” zu einer Vorstufe von AA um.
Gleichzeitig wandelt die D6D aber auch die essenzielle Omega-3-Fettsäure “alpha-Linolensäure” in geringer Menge zu einer Vorstufe von EPA um. Auch hier konkurrieren Omega 3 und Omega 6 wieder um dasselbe Enzym (siehe Abbildung 3).12 Da die Umwandlung von alpha-Linolensäure zu EPA jedoch nur begrenzt abläuft, ist es kaum möglich seinen vollständigen EPA-Bedarf damit zu decken.18
Öle mit relativ hohen Anteilen an alpha-Linolensäure sind Rapsöl (~9 %), Hanföl (~20%) und Leinöl (~54 %).13 Hanföl und Leinöl sind jedoch nicht immer bei einer SI verträglich. Daher lieber mit kleinen Mengen rantasten.
Abbildung 3 Linolsäure und alpha-Linolensäure konkurrieren am D6D-Enzym (Delta-6-Desaturase) um ihre Umsetzung zu Vorläufern von Arachidonsäure (AA) und Eicosapentaensäure(EPA).
Corticosteroide
Arachidonsäure entsteht nicht nur aus der Umwandlung von Linolsäure, sondern auch durch den Abbau von Phospholipiden. Phospholipide kommen in jeder Zelle als Bestandteil der Zellmembran vor und werden durch das Enzym Phospholipase A2 aus dieser herausgelöst. Dadurch wird u.a. auch Arachidonsäure frei und steht dann für die Umwandlung an den COX- und LOX-Enzymen zur Verfügung (siehe Abbildung 4).
Mit Corticosteroiden kann man die Phospholipase A2 effizient hemmen. Daher ist die Therapie mit Cortison eine gängige Therapie bei SI.9,14
Gleichzeitig ist diese jedoch auch von zahlreichen Nebenwirkungen begleitet. Bei längerer Einnahme von Corticosteroiden, kann es zu vielen unerwünschten Nebenwirkungen kommen, wie z.B. Erhöhung des Blutzuckerspiegels und des Blutdrucks9, erhöhter Mikronährstoffverbrauch15, Knochenabbau9,15, Verdünnung der Haut9 und Einlagerungen von Flüssigkeit im Körperfett9.
Leukotrien-Rezeptorblocker
Diese Wirkstoffe werden eingesetzt, um die Leukotrienrezeptoren zu blockieren (siehe Abbildung 4). Dadurch können die Leukotriene ihre Wirkung nicht mehr entfalten. Anwendung finden sie hauptsächlich bei Asthma.
Wirkstoffe:9
- Montelukast
- Zafirlukast (internationale Apotheke)
Abbildung 4 Einfluss von Corticosteroiden und Montelukast auf die Bildung von Leukotrienen.
Biologicals/Biologika
Biologika sind Substanzen, die biotechnologisch hergestellt wurden. Dabei handelt es sich meist um monoklonale Antikörper. Die Medikamente sind sehr teuer, weshalb sie nur bei sehr schwer behandelbaren Patienten zum Einsatz kommen.9
Wirkstoffe sind z.B.:9
- Dupilumab (Dupixent®)
- Omalizumab (Xolair®)
- Mepolizumab (Nucala®)
- Reslizumab (Cinqaero®)
- Benralizumab (Fasenra®)
Adaptive Desaktivierung
Die adaptive Desaktivierung ist der Goldstandard der Therapie.
Hier wird versucht mit einer täglichen Gabe von Acetylsalicylsäure (Aspirin) eine Toleranz für den Wirkstoff aufzubauen.
Vorbild dieser Therapie ist die Beobachtung von Zeiss et al. bei Patienten mit Aspirin-induziertem Asthma. Dort kam es nach der Gabe von Aspirin zu einer 72-stündigen Refraktärzeit. Eine Refraktärzeit beschreibt die Zeitspanne in der man keine erneute Reaktion auslösen kann.9,16
Der Start der Therapie erfolgt stationär unter ärztlicher Überwachung, sodass im medizinischen Notfall sofort eingegriffen werden kann. Es wird über Provokation die optimale individuelle Dosis von Aspirin ermittelt, die danach täglich eingenommen werden muss, um den Toleranzeffekt zu erhalten. Meist handelt es sich um eine tägliche Menge von 300-500 mg Aspirin.9
Stehen operative Eingriffe an, muss Aspirin aufgrund der blutverdünnenden Wirkung abgesetzt werden. Danach muss man die adapt. Desaktivierung wieder stationär von vorne beginnen.9
Bei der dauerhaften Einnahme von ASS sollten Nebenwirkungen auf den Mikronährstoffhaushalt beachtet werden:15
- Erhöhte Ausscheidung von Vitamin C
- Störung der Resorption von Folsäure
- Störung der Resorption von Vitamin B12
- Reduktion von Ferritin (Speicherprotein für Eisen)
Welche Schmerzmittelalternativen gibt es?
Bei Personen mit einer einer Aspirin-/NSAR-Intoleranz stehen folgende Schmerzmittelalternativen zur Auswahl:9
- COX-2-Hemmer „Coxibe“, wie z.B Celecoxib, Etoricoxib
- Opioide, wie z.B. Tilidin
Salicylatintoleranz, Histamin & Mastzellen
Es gibt einige Personen, die bei Kontakt zu Salicylsäure und Aspirin innerhalb weniger Minuten eine allergieartige Sofortreaktion zeigen. Und es gibt auch Patienten bei denen durch die ASS-Desaktivierung die gesundheitlichen Beschwerden zunehmen.17
Woran könnte dies liegen? Gibt es weitere Mechanismen als Ursache einer SI?
In “Ursachen der Salicylatintoleranz Teil 2/3” erfährst du alles über die die Rolle als Pseudoallergie und die Beteiligung der Mastzellen.
Disclaimer
Die Inhalte dieses Artikels sind keine Medikamenten- oder Therapieempfehlungen. Diese Information dient lediglich der Aufklärung. Jegliche Veränderung der Therapie ist mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
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Guten Tag,
Ihr Artikel ist äußerst aufschlußreiche – vielen Dank an dieser Stelle dafür. Gerne würde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen, da ich einige Fragen zu Salicylatintoleranz habe. Kann ich Sie telefonisch auch erreichen? Oder dirkt per eMail?Ich würde mich sehr freuen, wenn es klappen würde!
Rosemarie Fischer
Hallo Frau Fischer,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Gerne können Sie uns per Mail Ihre Fragen schicken. Kleine Anfragen können wir kostenfrei anbieten, bei umfangreicheren Fragestellungen besteht die Möglichkeit eine biochemische Beratung zu buchen. Die Informationen dazu erhalten Sie dann per Mail von uns.
Liebe Grüße
Thomas Hecker