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Die Ursachen der Salicylatintoleranz – Teil 2/3: Die Pseudoallergie

Eine der Erklärungen, wie es zu einer Salicylatintoleranz (SI) kommen kann, liegt in der Störung des Fettsäurestoffwechsels. Dabei werden zu viele Leukotriene gebildet, die allergische und entzündliche Eigenschaften haben.

Da die Bildung dieser Substanzen aber etwas Zeit benötigt, ist daher die Frage offen, wie sich eine Sofortreaktion auf Salicylsäure erklären lassen könnte.

Übersicht der Reihe:

Teil 1: COX und LOX

Teil 2: Die Pseudoallergie

Teil 3: Entgiftung und Genetik

Aspirin und Histamin

In einem in-vitro Versuch1 wurden humane Basophilen (Zelltyp ähnlich den Mastzellen) mit COX1-Hemmern und Nicht-COX1-Hemmern versetzt. Anschließend wurde die Ausschüttung von Histamin untersucht. Die Zellen wurden aus dem Blut von Patienten mit Urtikaria und FDEIA (food-dependent exercise-induced anaphylaxis = nahrungsmittelabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie), sowie von einer gesunden Kontrollgruppe gewonnen.

Die Zellen wurden mit IgE-Antikörpern und verschiedenen Substanzen versetzt und danach die Menge an Histamin bestimmt.

Ergebnis 1:

Aspirin zeigte mit und ohne IgE-Antikörperzugabe eine starke Histaminausschüttung aus den Basophilen. In der Probe mit den IgE-Antikörpern war ein dosisabhängiger Anstieg des Histamins messbar. In den Patientengruppen waren die Werte höher als in der gesunden Kontrollgruppe.

Ergebnis 2:

Die Wirkstoffe, die zu den COX-Hemmern gehören (Ibuprofen, Meloxicam und weitere), zeigten gar keine Histaminausschüttung aus den Basophilen. Substanzen ohne Einfluss auf das COX-Enzym (Benzoesäure, Tartrazin) führten hingegen zu einem ähnlichen Anstieg der Histaminausschüttung wie Aspirin (siehe Abbildung 1).

Dieses Ergebnis könnte erklären, weshalb manche Personen mit einer SI trotzdem den COX-Hemmer Ibuprofen vertragen, das Konservierungsmittel Benzoesäure jedoch nicht.

Abbildung 1 Aspirin verursachte in diesem Versuch, im Gegensatz zu anderen COX1-Hemmern, eine Histaminausschüttung aus Basophilen.

Die Pseudoallergie / Nicht-allergische Hypersensitivität

Die Mastzelle ist Teil des Immunsystems und besitzt auf ihrer Membran zahlreiche Rezeptoren für unzählige Substanzen (sog. Liganden). Diese Liganden binden an ihren jeweils passenden Rezeptor (per Schlüssel-Schloss-Prinzip) und lösen dadurch Signale und Aktionen in der Zelle aus. Das binden eines Liganden an einen Mastzellrezeptor kann sowohl zur Beruhigung als auch zur Aktivierung der Mastzelle führen.

Eine Allergie definiert sich über die Bildung von IgE-Antikörpern, die die Mastzellen über den “Fc epsilon RI” – Rezeptor (“FcεRI-Rezeptor”) aktivieren.2

Eine Mastzellaktivierung, die wie bei einer SI ohne IgE-Antikörper stattfindet, nennt man “Pseudoallergie” oder auch “nicht-allergische Hypersensitivität”.2,3

Nach der Aktivierung der Mastzelle kommt es relativ schnell zur Ausschüttung von Botenstoffen (siehe Abbildung 2). Eine erhöhte Histaminausschüttung kann bereits nach 3 Minuten zu starken Symptomen führen.4 Bei einer Pseudoallergie spricht man von einer anaphylaktoiden Reaktion und nicht von einer anaphylaktischen Reaktion.2

Personen, die relativ zeitnah nach Salicylatkontakt Symptome zeigen und gleichzeitig Probleme mit einem erhöhten Histaminspiegel haben, sollten dabei an eine übermäßige Aktivität der Mastzellen denken.5

Übrigens schütten aktivierte Mastzellen auch Eicosanoide aus (wie Prostaglandine und Leukotriene), wodurch wiederum allergische und entzündliche Mechanismen weiter angetrieben werden.3,5

Abbildung 2 DIe Mastzellen schütten nach ihrer Aktivierung zahlreiche Botenstoffe aus, die zu einer Vielzahl von Symptomen führen können.

Mastzellaktivierung und SI

Idiopathisches Mastzellaktivierungssyndrom durch Salicylate

Dr. Rechenauer, Prof. Raithel, Prof. Baenkler und weitere Kollegen der Uniklinik und des Waldkrankenhauses Erlangen berichten über einen 13-jährigen Jungen mit Mastzellaktivierungssyndrom unbekannten Auslösers (= idiopathisch).

Umfangreiche Untersuchungen auf Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, pathogene Erreger, usw. blieben ohne Befund. Am Ende konnte die Salicylatintoleranz als Auslöser der gesteigerten Mastzellaktivität identifiziert werden.6

Salicylatintoleranz durch gesteigerte Mastzellaktivität

Nicht nur eine SI kann zu einer erhöhten Mastzellaktivierung führen. Es gibt noch viele weitere Faktoren, die (einzeln oder in ihrer Summe) überaktive Mastzellen zur Folge haben können.

Können weitere Auslöser gefunden und behandelt werden, so kann die Mastzellaktivität in einigen Fällen auch wieder gedrosselt werden und die Lebensqualität dadurch wieder gesteigert werden.

Weitere Ursachen einer verstärkten Mastzellaktivität können z.B. sein:

Therapieoptionen bei erhöhter Mastzellaktivität und SI

Karenz / Verzicht

Damit der Körper zur Ruhe kommen kann und die Mastzellen nicht unter Dauerfeuer stehen, ist der erste und effizienteste Schritt die Karenz. Dazu zählt nicht nur der Verzicht auf salicylathaltige Nahrungsmittel, die schwere Reaktionen auslösen können. Auch Haushaltsprodukte wie Waschmittel, Zahnpasta, Shampoo, Cremes und Putzmittel sollten aussortiert werden.

Informationen zu Salicylaten in deinem Haushalt findest du im Beitrag: „Die Basics der Salicylatintoleranz

Auch Kosmetik kann Inhaltsstoffe enthalten, die bei einer Salicylatintoleranz zu Reaktionen führen können

Abbildung 3 Die “falschen” Körperpflegeprodukte können bei einer Salicylatintoleranz starke Symptomverursacher sein.

Medikamentöse Therapie

Die sogenannte Basismedikation bei pathologisch gesteigerter Mastzellaktivität besteht aus folgenden Wirkstoffen:26

Erweiterte Therapiemöglichkeiten stellt der Leitfaden von Prof. Molderings et al. (2016) zur pharmakologischen Behandlung von Mastzellerkrankungen bereit: “Link zur Publikation

Vorsicht bei SI: Cromoglicinat ist oft nicht verträglich und kann dann sogar die gesundheitliche Situation weiter verschlechtern. Ebenfalls Vorsicht gilt bei pflanzlichen Mastzellstabilisatoren wie Quercetin, Rutin, Curcumin, usw.

In diesem Beitrag findest du Mastzellstabilisatoren, die auch zum Teil bei einer SI verträglich sein können: “29 interessante Mastzellstabilisatoren“.

Differentialdiagnostik

Bei den folgenden Allergien überschneiden sich viele unverträgliche Lebensmittel und unverträgliche Duftstoffe mit der SI und sollten ebenfalls abgeklärt werden, um die Lebensmittelvielfalt nicht unnötig einzuschränken:

Entgiftung und Genetik

Welchen Einfluss Aspirin auf die Entgiftung hat und welche genetischen Komponenten die Salicylatintoleranz haben kann, erfährst du in Teil 3.

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Die Inhalte dieses Beitrags dienen lediglich zur Information und Aufklärung. Jegliche Änderung einer Therapie ist mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten zu besprechen.


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Quellen

1.         Matsuo H, Yokooji T, Morita H, et al. Aspirin augments IgE-mediated histamine release from human peripheral basophils via Syk kinase activation. Allergol Int. 2013;62(4):503-511. doi:10.2332/allergolint.13-OA-0536

2.         Molderings GJ, Baenkler HW Dustri Verlag Dr Karl Feistle. Salicylat-Intoleranz, Pseudo-Allergien, Mastozytose.; 2022.

3.         Zhang B, Li Q, Shi C, Zhang X. Drug-Induced Pseudoallergy: A Review of the Causes and Mechanisms. PHA. 2018;101(1-2):104-110. doi:10.1159/000479878

4.         Sydbom A, Kumlin M, Dahlén SE. Stimulus-dependence and time-course of histamine and leukotriene release from chopped and dispersed human lung tissue. Agents Actions. 1987;20(3-4):198-201. doi:10.1007/BF02074668

5.         Taniguchi M, Mitsui C, Hayashi H, et al. Aspirin-exacerbated respiratory disease (AERD): Current understanding of AERD. Allergology International. 2019;68(3):289-295. doi:10.1016/j.alit.2019.05.001

6.         Rechenauer T, Raithel M, Götze T, et al. Idiopathic Mast Cell Activation Syndrome With Associated Salicylate Intolerance. Frontiers in Pediatrics. 2018;6. Accessed April 2, 2022. LINK

7.         Molderings GJ, Brettner S, Homann J, Afrin LB. Mast cell activation disease: a concise practical guide for diagnostic workup and therapeutic options. J Hematol Oncol. 2011;4:10. doi:10.1186/1756-8722-4-10

8.         Weinstock LB, Brook J, Kaleem Z, Afrin L, Molderings G. 1194 Small Intestinal Bacterial Overgrowth Is Common in Mast Cell Activation Syndrome. Official journal of the American College of Gastroenterology | ACG. 2019;114:S671. doi:10.14309/01.ajg.0000594304.61014.c5

9.         Traina G. Mast Cells in Gut and Brain and Their Potential Role as an Emerging Therapeutic Target for Neural Diseases. Frontiers in Cellular Neuroscience. 2019;13. Accessed April 2, 2022. LINK

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13.       Kuklinski B. Mitochondrien: Symptome, Diagnose und Therapie. 3. Auflage. Aurum; 2018.

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15.       Alsaleh NB, Persaud I, Brown JM. Silver Nanoparticle-Directed Mast Cell Degranulation Is Mediated through Calcium and PI3K Signaling Independent of the High Affinity IgE Receptor. PLoS One. 2016;11(12):e0167366. doi:10.1371/journal.pone.0167366

16.       Walczak-Drzewiecka A, Wyczółkowska J, Dastych J. Environmentally Relevant Metal and Transition Metal Ions Enhance FcεRI-Mediated Mast Cell Activation. Environmental Health Perspectives. 2003;111(5):708-713.

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19.       Johnston CS, Solomon RE, Corte C. Vitamin C depletion is associated with alterations in blood histamine and plasma free carnitine in adults. Journal of the American College of Nutrition. 1996;15(6):586-591. doi:10.1080/07315724.1996.10718634

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Autor

  • Profilbild Thomas Blog

    Histameany habe ich gegründet, da ich selbst von Allergien und Pseudoallergien betroffen bin. Ich habe Biochemie studiert und möchte diese wissenschaftliche Expertise nutzen, um euch im Science-Blog die grundlegenden Zusammenhänge solcher Erkrankungen zu erklären und euch über den aktuellen Stand der Wissenschaft in diesem Bereich zu informieren.

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Christine W.

Hervorragender Artikel zum Problem MCAS, SI usw., zu deren Zusammenhang ich lange etwas Erhellendes gesucht habe. Ich habe keine SI, soll Salicylate aber trotzdem meiden, was ich nicht verstehen konnte, da diese ja entzuendungshemmend sind.
Auch die Quellenangaben und Links zur Vertiefung bestimmter Aspekte sind sehr hilfreich. Vielen, vielen Dank!