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Mastzellen als Wächter
Mastzellen sind Immunzellen, die in unseren Geweben, besonders an den Eintrittspforten wie Haut, Lunge und Darm in der Nähe von Blutgefäßen und Neuronen positioniert sind. Als Teil unseres Immunsystems reagieren sie beispielsweise auf Bedrohungen wie Infektionen oder Verletzungen, aber auch auf äußere Reize wie Allergene.
Eine ihrer Aufgaben ist es, bei Gewebeschäden schnell zu reagieren und entsprechende Signale an das Nervensystem weiterzugeben – um uns vor Gefahren zu warnen und Schutzreflexe auszulösen.
Werden die Zellen über bestimmte Rezeptoren an ihrer Membranoberfläche aktiviert, setzen sie eine Vielzahl von Mediatoren frei. Welche Stoffe und Reize zu einer Mastzellaktivierung führen können, kannst du in diesem Beitrag nachlesen: “Mastzellaktivierung und Histaminausschüttung über verschiedene Rezeptoren“
Unter den vielen hundert Botenstoffen dieser Immunzellen befinden sich z.B. Histamin, Heparin, Prostaglandine und Zytokine. Hier findest du detailliertere Informationen zu 9 dieser Botenstoffe: “Mastzellaktivierung – Histamin ist nicht alles“
Diese Mediatoren können Entzündungen hervorrufen, welche die Heilung unterstützen oder auch unangenehme Symptome wie Juckreiz, Niesen oder Husten auslösen. So wie eine Feuerwehr, die beim Alarm schnell ins Geschehen eingreift, sorgen Mastzellen dafür, dass der Körper auf drohende Gefahren schnell und effizient reagiert.
Dauerhafte Exposition gegenüber mastzellaktivierenden Substanzen, kann zu chronischen Entzündungsreaktionen führen. Warnsignale, Vermeidungsverhalten und Ausstoßreflexe sind daher eine sehr wichtige Schutzstrategie. Sie können den Wirt vor unnötigem Kontakt zu Allergenen und Toxinen schützen.
In der wissenschaftlichen Arbeit “Beyond classical immunity: Mast cells as signal converters between tissues and neurons” (Dez. 2024) von Plum et. al1 (Übersetzung: Über die klassische Immunität hinaus: Mastzellen als Signalübermittler zwischen Geweben und Neuronen) im renommierten Journal „Cell“ wurden sehr spannende Erkenntnisse über Mastzellen als Schnittstelle zwischen Geweben und Nervenzellen zusammengetragen. Im folgenden Blogartikel fassen wir Dir das Wichtigste über schützendes Vermeidungsverhalten und Ausstoßreflexe zusammen, was auch als nicht-klassische Immunabwehr angesehen werden kann.
Abneigung, Ekel und Vermeidungsverhalten gegenüber Allergenen und Toxinen
In Studien mit Mäusen, die allergisch auf Ovalbumin reagierten, wurde festgestellt, dass die Tiere Futter mit Ovalbumin sogar dann mieden, wenn es gesüßt war. Die Verbesserung des Geschmacks konnte die Abneigung gegenüber dem Allergen also nicht aufheben. Bei genetisch veränderten Mäusen mit geringer Mastzellanzahl trat die Abneigung gegenüber dem Allergen nicht auf, was zeigt, dass Mastzellen an diesem Vermeidungsverhalten maßgeblich beteiligt sind. Die Allergene könnten durch die Stimulation der Mastzellen eine Kaskade in Gang setzen. Die Mastzellen können aufgrund ihrer Lokalisierung nahe an Nervenzellen, die Signale ans Nervensystem weitergeben und so in bestimmten Hirnarealen das Vermeidungsverhalten auslösen.
Dieses Verhalten schützt den Körper vor Faktoren, die unnötige allergische Entzündungen auslösen können.
Interessant dabei ist, dass eine Histaminrezeptor-Blockade keine Auswirkungen auf den Vermeidungsreflex hat, die Blockade von Leukotrien C4 jedoch schon. Dies deutet darauf hin, dass der Botenstoff Leukotrien C4 mit dem durch Mastzellen vermittelten Vermeidungsreflex zusammenhängt.
Konditionierung
Doch nicht nur alleine der akute Allergenkontakt kann zu einer Ausschüttung von Mastzellmediatoren führen. Studien an Ratten haben gezeigt, dass eine visuelle Darstellung, die eine „allergische“ Erinnerung hervorruft, zu einem Anstieg gewisser Mastzellmediatoren im Blut führen kann. Zudem kann auch der Vermeidungsreflex nur durch Erinnerung ausgelöst werden. In einem Asthma-Modell haben die Tiere die Kammer gemieden in der die Ovalbumin-Provokation stattgefunden hat. Und das obwohl gar kein Ovalbumin darin vorzufinden war.
Hier spekulieren die Forscher darüber, ob gewisse Teile unseres Gehirns auch in der Lage sind „allergische“ Erinnerungen zu speichern.
Diese Zusammenhänge zeigen, dass es immer wichtig ist, seine vermeintlichen Histamin-Trigger auch zu hinterfragen. Beispiel: Auf dem Weg zur Arbeit kommt es jeden Tag zu einer Histaminreaktion im Auto, weil 30 Min zuvor das unverträgliche Frühstück konsumiert wurde. Dem Betroffenen ist der Zusammenhang zum Frühstück womöglich gar nicht bewusst und das Gehirn speichert jetzt das Autofahren, das Auto oder den Stress durch den Berufsverkehr als Gefahr ab. Dies kann soweit gehen, dass sich eine regelrechte Angst vor Autofahrten entwickeln kann, obwohl das Auto gar nichts mit der allergischen Reaktion zu tun hat und eigentlich das Frühstück der Auslöser ist.
Bis jetzt hat man jedoch noch keine Beweise dafür gefunden, dass die mastzellvermittelte Vermeidung die Folge einer Konditionierung ist.
Eine interessante Untersuchung an Mäusen zeigte aber auch, dass wenn die Tiere die freie Futterwahl haben, sich eben nicht komplett von allergenhaltigem Futter fernhalten. Die Mäuse haben sich trotzdem regelmäßig an das allergenhaltige Futter rangetastet und ganz kleine Mengen davon gekostet. Es scheint ein sehr komplexes Zusammenspiel zwischen Vermeidungsverhalten, Mastzellen und Allergien zu bestehen, das noch sehr viel Forschungsarbeit benötigt.

Abbildung 1 Vermeidungsverhalten, wie Ekel und Abneigung, als Schutzstrategie des Körpers.
Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
Mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall schützen die Mastzellen das Verdauungssystem, indem sie verdorbenes Essen, Allergene und Krankheitserreger so schnell wie möglich aus dem Körper befördern.
Verdorbenes Essen kann eine extrem hohe Belastung an Krankheitserregern und/oder biogenen Aminen, wie Histamin haben. Bei einer Lebensmittelvergiftung sind die Symptome wie Erbrechen und Durchfall sehr sinnvoll, um den Wirt und sein Verdauungssystem vor weiteren Gesundheitsgefahren zu schützen.

Abbildung 2 Mastzellen können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslösen, um das Verdauungssystem vor Krankheitserregern oder einer hohen Belastung an biogenen Aminen zu schützen.
Niesen und Niesreiz
Auch der Niesreiz dient als Schutz für den Körper. Wenn Allergene oder Schadstoffe in die Nase gelangen, aktivieren Mastzellen den Niesreflex. Die Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen reizt die Nerven in der Nasenschleimhaut, was zu einem kräftigen Luftstoß führt, der Fremdpartikel effektiv entfernt.
Niesen ist eine unmittelbare und effiziente Schutzmaßnahme, um inhalative Allergene, Krankheitserreger und Umweltschadstoffe fernzuhalten.

Abbildung 3 Niesen kann von Mastzellen ausgelöst werden, um die Atemwege vor Allergenen, Krankheitserregern und Schadstoffen zu schützen.
Husten und Schleimbildung
Ähnlich wie beim Niesen fördern Mastzellen in den unteren Atemwegen die Schleimproduktion und lösen Husten aus. Der Schleim bindet Schadstoffe oder Krankheitserreger, während der Husten sie nach außen befördert. Auch hier arbeiten Mastzellen eng mit dem Nervensystem zusammen.
Diese Reflexe helfen, die Atemwege vor Infektionen oder weiteren Schäden zu bewahren.

Abbildung 4 Mastzellen fördern Husten und Schleimbildung als Schutzreflex für die Atemwege.
Anaphylaxie
Die Anaphylaxie stellt in diesem Zusammenhang noch ein großes Rätsel in der Immunologie dar.
Mastzellen setzen bei einer solchen Reaktion große Mengen von Histamin und anderen Mediatoren frei, was schwere Symptome wie Atemnot und Kreislaufversagen auslösen kann. Die Mechanismen hinter dieser intensiven Immunantwort sind gut erforscht, doch warum der Körper eine derart extreme Reaktion zeigt, ist nicht vollständig verstanden.
Wissenschaftler vermuten, dass sie ursprünglich der schnellen Entfernung gefährlicher Substanzen aus dem Körper dienen könnte. Ob dieser Mechanismus evolutionär tatsächlich einen Überlebensvorteil darstellte, bleibt noch ungeklärt.
Fazit
Die unangenehmen Symptome von Reflexen wie Niesen, Husten oder Durchfall sind keine Fehlfunktionen, sondern wichtige Schutzmechanismen. Mastzellen spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie zwischen Gewebe und Nervensystem vermitteln. Sie tragen dazu bei, unseren Körper vor potenziell gefährlichen Substanzen zu bewahren. Es ist ein sehr interessantes Zusammenspiel von Immun- und Nervensystem.
Aus diesem Grund ist es bei chronischer Mastzellaktivierung von enormer Wichtigkeit die individuellen Auslöser zu finden, die für die Überreaktion des Immunsystems ursächlich sein könnten. In folgendem Blogartikel erfährst du mehr über die Faktoren, die die Mastzelle aktivieren aber auch stabilisieren können:”Mastzellaktivierung und Mastzellstabilisierung“.
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Sehr interessanter Beitrag ! Wie schützt man sich aber., histaminfrei essen?reicht das?lb, Gruß und danke, Thomas
Hallo Maria,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Die Abwehrmechanismen sind normale Funktionen des Immunsystems. Sie schützen dich, weswegen du dich im Normalfall nicht gegen sie schützen musst. Bei chronischer Mastzellaktivierung sieht das ganz dann anders aus. Wenn die Symptome chronisch auftreten, weil die Mastzellen ständig ihre Botenstoffe ausschütten, dann sollte man sich am besten über ausführliche Diagnostik auf die Suche nach den Ursachen machen. Im Blogbeitrag “Mastzellaktivierung und Mastzellstabilisierung” erfährst du mehr über häufige Trigger der Mastzellen.
LG Thomas