Inhaltsverzeichnis
Was sind Rezeptoren?
Rezeptoren sind Zellbestandteile, die auf bestimmte Reize und Signale reagieren. Mastzellen besitzen auf ihrer Oberfläche zahlreiche davon. Über diese Rezeptoren wird die Mastzelle aktiviert oder stabilisiert.
Wird sie aktiviert, dann schüttet sie ihre Botenstoffe aus. Dadurch können allergische Reaktionen und Entzündungen ausgelöst werden. Die Schwere der Reaktion und Art der Symptome kann dabei stark variieren. Unter den Mastzellbotenstoffen finden sich beispielsweise Histamin, Prostaglandine, Leukotriene und TNFalpha. Weitere Botenstoffe und ihre Eigenschaften haben wir in diesem Artikel zusammengefasst: “Mastzellaktivierung – Histamin ist nicht alles“
Bei Allergien und allergisch-entzündlichen Erkrankungen ist die Stabilisierung der Mastzellen daher ein wichtiges Werkzeug in der Therapie. Gleichzeitig macht es Sinn sich die Faktoren einmal genauer anzusehen, die zu einer Aktivierung dieser Immunzellen führen können. Die Ursachensuche und -therapie spielt eine tragende Rolle in der Behandlung.
Mastzellaktivierung bei Allergien und Kreuzallergien: FCεRI
Der Rezeptor FCεRI (Fc epsilon RI oder auch high-affinity IgE receptor) ist der Rezeptor über den die Mastzelle bei IgE-Allergien (IgE = Immunglobulin E Antikörper) und Kreuzallergien reagiert. Hier bindet der Antigen-Antikörper-Komplex und führt zu einer Degranulation der Zelle. Die Ausschüttung der Mastzellbotenstoffe führt zur klassischen allergischen Reaktion.
Auch Kreuzallergien vermitteln ihre Wirkung über diesen Rezeptor. Bei einer Kreuzallergie ist die Struktur dem tatsächlichen Allergen sehr ähnlich. Der Aktivierungsmechanismus an der Mastzelle läuft dabei genau gleich ab.
Die IgE-Allergiediagnostik kann deshalb ein wichtiger Punkt sein, wenn man die Ursachen einer chronischen Mastzellaktivierung herausfinden möchte.
Beispiele für typische IgE-Allergien sind:
- Hausstaubmilbenallergie
- Pollenallergie/ Heuschnupfen
- Lebensmittelallergie
- Insektengiftallergie
- Schimmelpilzallergie
Tipps im Umgang mit Heuschnupfen und Pollenallergie findest du hier: “Heuschnupfen – Wie kann ich meinen Körper auf die Pollensaison vorbereiten?“
Quellen: 1,2
Abbildung 1 Eine Pollenallergie kann zu einer ständigen Reizung der Mastzellen und einem chronisch erhöhten Histaminspiegel führen.
Mastzellaktivierung bei Pseudoallergien und durch Medikamente: MRGPRX2
Der Rezeptor MRGPRX2 (engl. Mas-related G protein–coupled receptor X2) ist ein entscheidender Signalweg für nicht-IgE-vermittelte Mastzellaktivierung. Über ihn können beispielsweise folgende Substanzen eine Aktivierung der Mastzellen und damit allergisch-entzündliche Reaktionen auslösen:
- Pseudoallergene
- Toxine
- Erreger (Viren, Bakterien, etc)
- Bestimmte körpereigene Peptide
- Bestimmte Arzneimittel, wie z.B. Fluorchinolon-Antibiotika, Muskelrelaxantien, Opioide
Die Aktivierung über MRGPRX2 steht im Zusammenhang mit folgenden gesundheitlichen Störungen:
- Chronische Urtikaria
- Atopische Dermatitis
- Allergische Kontaktdermatitis
- Rosacea
- Pseudoallergische Reaktionen, Arzneimittelallergien
- Entzündungen im zentralen Nervensystem wie postoperative Schmerzen und Migräne
Substanzen, die in Modellversuchen Hinweise auf eine Hemmung von MRGPRX2 liefern sind u.a.:
- Quercetin
- Resveratrol
- Genistein
- Milchsäure
Auch die Arzneimittelforschung ist an diesem Thema dran. Derzeit laufen Phase-2-Studien des MRGPRX2-Antagonisten “EP262” von Escient Pharmaceuticals. Einsatzgebiete sind chronische Urtikaria und atopische Dermatitis.
Quellen: 3-5
Abbildung 2 Bestimmte Medikamente können über den MRGPRX2 zur Mastzelldegranulation und damit zu einer allergischen Reaktion führen.
Mastzellaktivierung durch pathogene Erreger: Toll-Like Rezeptor
Über die Toll-like-Rezeptoren (TLR) können die Mastzellen pathogene Mikroorganismen erkennen. Wird ein Krankheitserreger erkannt, dann wird über den TLR ein Signal an die Zelle geleitet und es kommt zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen zur Bekämpfung der Infektion.
Synergistische Wirkung
Bei gleichzeitiger Aktivierung der Mastzelle über TLR und über IgE-Allergene am Rezeptor FCεRI kann die allergisch-entzündliche Reaktion verstärkt werden.
Die Erreger-Diagnostik (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) kann deshalb ein wichtiger Punkt sein, wenn man die Ursachen einer chronischen Mastzellaktivierung herausfinden möchte.
Quellen: 6,7
Abbildung 3 Zeckenübertragbare Erreger wie Borrelien können zu chronisch gesteigerter Mastzellaktivität beitragen.
Mastzellaktivierung durch Östrogen: Estrogen receptor alpha (ERα)
Über den Östrogenrezeptor alpha (ERα) kann das Sexualhormon Östradiol zu einer Aktivierung von Mastzellen führen. Dies kann vor allem bei einem Hormonungleichgewicht, wie einer Östrogendominanz, zu vermehrten allergisch-entzündlichen Beschwerden führen. Findet eine übermäßige Stimulation des ERα statt, kann es zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen aus Mastzellen kommen.
Hinzu kommt: Östradiol kann eine IgE-Allergie verstärken. So kann es zyklusbedingt (Eisprung + Lutealphase) auch schon bei geringeren Allergenmengen zu allergischen Reaktionen kommen.
Die Hormon-Diagnostik (Östrogendominanz, Progesteronmangel, Testosteronmangel) kann deshalb ein wichtiger Punkt sein, wenn man die Ursachen einer chronischen Mastzellaktivierung herausfinden möchte. Weitere Infos zum Thema Hormone und Mastzellen gibt es in diesen Beiträgen:
Histamin, das prämenstruelle Syndrom und warum Schokolade keine gute Idee ist (Teil 1 – Mastzellen)
Testosteron, Histamin und Allergien
Endokrine Disruptoren – Hormonaktive Schadstoffe in unserer Umwelt
Doch nicht nur das bioidentische Hormon Östradiol kann diesen Rezeptor stimulieren. Auch östrogenartig wirkende Substanzen aus unserer Umwelt sind dazu in der Lage. Diese endokrinen Disruptoren finden sich überall in unserem Alltag.
- Benzophenon: UV-Filter in Sonnencreme
- Duftstoffe: Aromen und Backaromen (z.B. Bittermandel, Bergapten, Citral, Geraniol, Benzylbenzoat, Benzylsalicylat) , manche ätherische Öle (Lavendelöl, Teebaumöl), Waschmittel, Raumdüfte, Duftkerzen, Spülmittel, Haut-/Haarpflege, Reinigungsmittel
- Parabene: Haarpflege, Hautpflege, Make-Up, Nagellack
- Pestizide: Lebensmittel, Textilien, Menstruationsprodukte, Insektenschutzmittel
- Phthalate (Weichmacher): Plastikverpackungen/-dosen, Kapselbeschichtungen (bestimmte Medikamente), PVC-Kunststoff, Bodenbeläge (z.B. Laminat), Tapeten, Textildruck, Matratzen, Polstermöbel, Folien, Kabel, Computer, Hausstaub, Sportartikel, Fahrzeuginnenräume, medizinisches Material (Schläuche, Sonden), Hautpflege, Kosmetik
- PFAS (Per- und polyfluorierte Chemikalien; nicht-abbaubare “forever chemicals”):
stark fetthaltige Fische, Obst, Gemüse, Kochgeschirr mit Teflonbeschichtung, Papierbeschichtungen (z.B. Fastfood-Verpackungen), wind- und wasserdichte Kleidung, Skiwachs - Schwermetalle (wie Cadmium, Blei, Quecksilber):
Nahrungsmittel (z.B. Kakao, Fisch, Algen), Textilien, Schuhe, Geschirr, Bleikristallglas, Lacke, Amalgamfüllungen
Quellen: 8-18
Abbildung 4 Umweltschadstoffe in Körperpflegeprodukten können Auswirkungen auf die Stärke von allergischen Reaktionen haben.
Mastzellaktivierung durch Schilddrüsenunterfunktion: TSH-Rezeptor
Über das Hormon TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) regt die Hypophyse die Hormonbildung der Schilddrüse an. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion steigt die TSH-Konzentration deshalb an. Das Hormon TSH bindet an den TSH-Rezeptor der Schilddrüsenzellen und gibt ihnen dadurch das Signal mehr Schilddrüsenhormone zu bilden.
Dieser Rezeptor sitzt allerdings nicht nur auf den Zellen der Schilddrüse, sondern auch auf der Oberfläche von Mastzellen. Dadurch können auch Mastzellen bei einer Schilddrüsenunterfunktion durch das Hormon TSH stimuliert werden.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Mastzellen dadurch die Schilddrüse unterstützen könnten. Im Inneren der Immunzellen sind nämlich verschiedene Schilddrüsenhormone gespeichert, die durch die Bindung an TSH freigegeben werden. Es konnte auch beobachtet werden, dass bei einer Unterfunktion der Schilddrüse die Anzahl der Mastzellen zunimmt.
Das kann bedeuten, dass es bei einer Schilddrüsenunterfunktion zu einer erhöhten Mastzellzahl und Mastzellaktivität kommen kann.
Die Untersuchung der Schilddrüsenfunktion kann daher ein wichtiger Punkt sein, wenn man die Ursachen einer chronischen Mastzellaktivierung herausfinden möchte.
Weitere Zusammenhänge zwischen Mastzellen und Erkrankungen der Schilddrüse erfährst du hier: “Mastzellaktivierung – Histamin ist nicht alles“.
Quelle: 19
Abbildung 5 Bei allergisch-entzündlichen Erkrankungen kann die Schilddrüsengesundheit eine wichtige Rolle spielen.
Mastzellaktivierung durch Stress: CRH-Rezeptor
CRH steht für Corticotropin-releasing Hormon. Es ist das erste Molekül, das beim Auftreten eines Stressors (Stressreiz) aus dem Hypothalamus im Gehirn freigesetzt wird und unsere “Stressachse”, die Hypothalamus-Hypophysen-Nebenniere-Achse, aktiviert. Dabei kommt es im weiteren Verlauf zur Ausschüttung von ACTH (mastzellaktivierend) und zuletzt zur Ausschüttung von Cortisol (Unterdrückung der Mastzellaktivität bzw. des Immunsystems), um die Stressreaktion wieder zu beenden. Eine dauerhafte Stressachsenaktivierung steht im Zusammenhang mit zahlreichen Gesundheitsproblemen.
Gehirnmastzellen und CRH
Mastzellen besitzen auf ihrer Oberfläche CRH-Rezeptoren. Dockt das CRH-Molekül an diesem Rezeptoren an, wird die Zelle aktiviert und schüttet ihre Botenstoffe aus. Dies kann sich in Symptomen wie beispielsweise Schwindel, Brainfog und Angst zeigen.
Studien haben gezeigt, dass CRH und Mastzellen bei akutem Stress die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke stören. CRH kann auch Effekte auf Mastzellen in der Haut und anderen Organen haben und bereits bestehende entzündliche Erkrankungen in diesen Organen verschlimmern.
Über diesen Mechanismus kann Stress zur Verstärkung einer chronischen Erkrankung beitragen.
Bei (allergisch-)entzündlichen Erkrankungen kann ein gutes Stressmanagement fundamental wichtig sein.
Zu Stress zählt übrigens nicht nur ein voller Terminplan. Auch Dinge, wie sozialer Druck, Jetlag, Sorgen, negative Emotionen, körperliche Überanstrengung, Umweltgifte oder extreme Temperaturen, können Stressoren für den Körper sein.
Quellen: 20-22
Schau dir in unserem Video an, welchen Einfluss Stress auf Mastzellen hat.
Mastzellaktivierung durch mechanische Reize: ADGRE2
Der ADGRE2 (Adhäsion G-Protein-gekoppelter Rezeptor 2) ist ein Mechanorezeptor. Das bedeutet, dass mechanische Reize über diesen Rezeptor die Mastzellen stimulieren können.
Urtikaria
Bei dieser mastzellvermittelten entzündlichen Hauterkrankung kann es häufig durch mechanische Reize zu Symptomen wie Quaddelbildung, Hautrötung und Juckreiz kommen. Es gibt Urtikariaformen, die in direktem Zusammenhang mit einer ADGRE2-Störung stehen.
Mögliche mechanische Reize können sein:
- Kratzen, Reiben
- Osmotischer Druck (z.B. Elektrolytverschiebungen)
- Scherstress (z.B. Beschleunigung)
- Vibration
- Druck
- Zugkraft, mechanische Dehnung
Bei chronisch erhöhter Mastzellaktivierung können nicht nur chemische Stoffe die Symptomatik verstärken, sondern auch mechanische Reize.
Die Mastzellstabilisierung ist daher eines der wichtigsten Therapie-Werkzeuge bei chronisch gesteigerter Mastzellaktivität. Hier findest du Infos zu natürlichen Mastzellstabilisatoren: “29 interessante Mastzellstabilisatoren“
Quellen: 23-25
Abbildung 6 Bei der mastzellvermittelten Hauterkrankung Urtikaria, kann die Quaddelbildung durch mechanische Reize wie Reiben oder Kratzen ausgelöst werden.
Mastzellstabilisierung durch Vitamin D: Vitamin-D-Rezeptor
Über den Vitamin D-Rezeptor kann Vitamin D Mastzellen stabilisieren. Das Vitamin kann auch die Stärke von allergischen Reaktionen mildern, indem es die Bindung des Antigen-Antikörper-Komplexes an die Mastzelle verhindert.
Doch es hat auch noch weitere Effekte, die indirekt die Aktivität der Mastzellen herunterregulieren können. So kann es z.B. auch zur Senkung der IgE-Antikörper-Bildung durch B-Lymphozyten beitragen. Dadurch kann das allergische Potential im Körper noch weiter reduziert werden.
Erhöhte Mastzellaktivität bei Vitamin-D-Mangel
In verschiedenen Versuchen konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin-D-Mangel zu einer Destabilisierung von Mastzellen beiträgt.
Die Untersuchung des Vitamin-D-Status kann daher ein wichtiger Punkt sein, wenn man die Ursachen einer chronischen Mastzellaktivierung herausfinden möchte.
Interessante Infos zur Vitamin D-Bildung über die Haut kannst du hier nachlesen: “Vitamin D und warum es kaum jemand ausreichend bilden kann“
Quellen: 26,27
Abbildung 7 Vitamin-D-Mangel zeigte in Studien erhöhte Mastzellaktivität.
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